Rede Ursula Paschke

Ursula PaschkeLiebe Trauergemeinde!

Für uns Anwesende wie für Feketefreunde und –sammler allgemein geht nun eine Ära zu Ende, die Fekete-Ära eben. Wer kannte ihn hier nicht, den fast oben auf der Kuppe des Stetteritz lebenden ehemaligen Kosmopoliten, der in den ersten 40 Lebensjahren einen weiten Bogen von Budapest nach Buenos Aires schlug, um dann zusammen mit seiner Frau für die längste Zeit seines Lebens in Gundernhausen Fuß zu fassen.

Sein Schrittempo war forsch, die Bewegungen rasch, zu Lebzeiten des geliebten Schäferhunds mittags mit diesem unterwegs, auf dem Fahrrad oder auch im Laufdress auf den Feldern hinter dem Haus. Die Tage verliefen nach strengem Stundenplan, für Maria Fekete in der Technischen Hochschule, für ihn nach dem Schneiden mit dem zeit- und kraftaufwendigen Drucken seiner spezifischen Farbholzschnitte, durch die er zu Recht zum Begriff wurde, auch über Landesgrenzen hinaus. Passanten konnten zuverlässig klassische Musik aus dem Druckatelierfenster im Keller vernehmen oder auch brüllende Fluchorgien, wenn mal ein Farbgang nicht gelang wie er sollte. Widerstände reizten ihn zu größtmöglicher Kraftentfaltung, um auf unorthodoxe Weise und mit Schlagfertigkeit und Witz doch noch zum Ziel zu gelangen. Das galt für den Umgang mit seinen Mitmenschen ebenso wie für sein gefundenes Hauptausdrucksmittel Holz; je mehr Härte mit dem Skalpell zu überwinden war, desto prägnanter wurden seine Schnitte. Im übrigen war er neben reizbarem Temperament dermaßen charmant, daß er auch so zu erreichen pflegte, was er unbedingt durchsetzen wollte.

1979 fiel die Wahl des vom Landkreis Darmstadt-Dieburg erstmals vergebenen Georg-Christoph-Lichtenberg-Preises auf ihn. 1984 fand er in Irland nicht nur ein friedliches Zweit-Zuhause, sondern dank der damals noch archaisch-verträumten Lebensverhältnisse auch starke neue Sinneseindrücke, die sich in seinen Bildern niederschlugen. 1989 wurde ihm eine Ausstellung in der National-Galerie Budapest ausgerichtet. 1994 erhielt er zum 70. Geburtstag das große Geschenk einer umfangreichen Retrospektive von Malerei und Graphik in der Kunsthalle Darmstadt in Zusammenarbeit mit der Galerie Netuschil – eine geradezu triumphale Gesamtschau seines Lebenswerks. 1996 räumte ihm Professor Wilhelm in der Museumsremise des kulturhistorischen Vereins Roßdorf ein Kabinett für ausgewählte Graphik ein. Das letzte wahrlich freudige Ereignis, das Feketes gesamtes künstlerisches Wirken in mehr als vierzig Jahren auf Dauer einbezog, wurde dann 2002 die Angliederung einer frisch eingerichteten Fekete-Galerie an das Museum des „Kulturhistorischer Verein Roßdorf e.V.“. Professor Wilhelm wird hier anschließend die treuhänderisch geführte Esteban Fekete-Stiftung kommentieren.

Nach dieser schönen Ernte eines regen Künstlerlebens wurde es stiller um Fekete, wozu Generationenwechsel, technische Entwicklungen und womöglich vorübergehende Veränderungen auf dem Kunstmarkt im allgemeinen beitrugen. Seine Antwort auf die schnellebige Wegwerfgesellschaft des Immer-effektiver-perfekter-höher-breiter-Glänzender war zunehmende Zurückgezogenheit und Verweigerung jeglicher, auch sinnvoller Neuanschaffungen. Bei Maria, seiner buchstäblichen Hälfte, machten sich Abbauerscheinungen bemerkbar, die ihn zutiefst verstörten und deprimierten. Nicht Kraftanstrengung war mehr gefragt sondern Geduld, er wußte es wohl. In dieser Stimmung traf ihn kürzlich in der Anthologie der FAZ ein kleines Gedicht von der halbrussischen Emigrantin Mascha Kaléko:

Resignation für Anfänger

Suche Du nichts; es gibt nichts zu finden,
nichts zu ergründen, finde Dich ab.
Kommt ihre Zeit, dann blühen die Linden
Über dem frisch geschaufelten Grab.

Kommt seine Zeit, dann schwindet das Dunkel
Funkelt das wieder geborene Licht.
Nichts ist zu Ende, alles geht weiter,
und Du wirst heiter. Oder auch nicht.

Zwischen Vergehen und Wiederbeginnen
Liegt das Unmögliche. Und es geschieht.
Wie und Warum waren nie zu ersinnen
Neu klingt dem Neuen das uralte Lied.

Geh‘ nicht zu Grunde, den Sinn zu ergründen,
Suche Du nicht. Dann magst Du ihn finden.

Lieber Esteban, Du hast gekämpft wie ein Löwe, die letzte Aufgabe in Deinem Leben war Dir zu schwer und Dir-helfen-Lassen mochtest Du nicht. Wir verdanken Dir viel und werden versuchen, bestens mit Deinem hinterlassenen Werk umzugehen. Möge Dir die Erde leicht sein!

Ursula Paschke, Mülheim / Ruhr

Video – Portrait

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